Diesmal also Pferdefleisch in Lasagne, das darin wohl kaum jemand
erwartet hätte. Fast scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis ein
neuer skandalträchtiger Missstand in der Lebensmittelkette die Gemüter
aufrüttelt. Um dann nach einer Welle der Empörung und endloser
Diskussionsrunden, wieder zur Tagesordnung überzugehen. Was bleibt, ist
ein fader Beigeschmack - wie fast schon gewohnt. Und das nur
sprichwörtlich.
Das jüngste Beispiel von Verbrauchertäuschung aufgrund falscher
Deklaration erinnert unweigerlich an den als "Gammelfleisch-Skandal"
titulierten Handel mit Fleisch, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum
abgelaufen war. Denn es geht wieder um Fleisch, um Falschdeklaration,
hinter der offensichtlich kriminelles Handeln steckt. Die realen Risiken
für die Gesundheit waren und sind in beiden Fällen gering. So hat es
seinerzeit - anders als etwa beim EHEC-Geschehen im Jahr 2011 oder auch
im Falle der mit Noroviren belasteten Tiefkühl-Erdbeeren im Jahr 2012 -
in der Bevölkerung keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen gegeben,
die nachweislich mit dem umdeklarierten Fleisch hätten in Verbindung
gebracht werden können.
Ähnlich die Situation jetzt: Zwar ließ sich bis dato in einzelnen
Pferdefleischproben tatsächlich das EU-weit für lebensmittelliefernden
Tiere nicht zugelassene Medikament Phenylbutazon nachweisen. Doch
besteht auch damit bei nüchterner Betrachtung bislang keine unmittelbare
Gefahr für die Verbrauchergesundheit. An dieser Stelle sei erwähnt,
dass Pferdefleisch an sich zum Beispiel in Deutschland und Italien
regional und traditionell als Delikatesse geschätzt wird, vorausgesetzt
es stammt von Pferden, die tatsächlich für die Fleischgewinnung bestimmt
sind.
Das aber lässt den aktuell zu beklagenden Missstand keineswegs in einem
positiveren Licht erscheinen. Schließlich geht es um Betrug. Und es mag
mehr Zufall als Kalkül der Verantwortlichen sein, dass mit dem Vertrieb
falsch deklarierter Ware keinerlei gesundheitliche Einbußen für die
Bevölkerung verbunden sind. Und eben das ist es, was den Verbraucher bei
jedem Lebensmittelskandal aufs Neue aufschrecken und letztlich wohl
verzweifeln lässt: die Unwissenheit und die damit verbundene
Machtlosigkeit. Auch in Bezug darauf, durch eigenes, verantwortliches
Handeln Einfluss nehmen zu können. Bei Lieferantenketten, die sich wie
im aktuellen Fall von Luxemburg über Zypern, die Niederlande bis nach
Rumänien und schließlich auch nach Deutschland erstrecken, verwundert es
eigentlich kaum noch, dass der Letzte in der Lieferkette mitunter nicht
das bekommt, was er erwartet.
Und wie leicht es offenbar ist, Lieferscheine, Etiketten und letztlich
auch Qualitäts- und Analysenzertifikate zu fälschen, dafür stehen die
Missstände um den Handel mit Fleisch der vergangenen Jahre beispielhaft
Pate.
Die nun von einigen Seiten geforderten erweiterten
Kennzeichnungspflichten, etwa zur Herkunft, dürften hier kaum helfen.
Denn wer die geltenden Kennzeichnungsregeln bricht, wird auch neue
unberücksichtigt lassen. Ganz genauso, wie die unzähligen anderen
lebensmittelrechtlichen Sorgfaltspflichten. Darunter die
Unternehmerverantwortung oder die Pflicht zur lückenlosen
Rückverfolgbarkeit, die seit 2005 nach der europäischen
Lebensmittel-Basisverordnung für jedes Lebensmittelunternehmen gilt.
Vielversprechender erscheinen da verstärkte Kontrollen - und zwar
insbesondere von behördlicher Seite. Das aber kostet und würde zudem das
schwindende Vertrauen der Verbraucher in die Lebensmittelindustrie kaum
fördern. Dieses zurück zu gewinnen wiederum ist eine echte
Herausforderung, die sich nicht allein dadurch bewältigen lässt, immer
wieder unisono zu bekunden, dass die Sicherheit und Qualität des
Lebensmittelangebots innerhalb Europas nie so gut war wie heute.
Das nämlich ist nur die halbe Wahrheit: So haben sich Teile der Branche -
Hersteller und Händler gleichermaßen - im Wettbewerb um den günstigsten
Preis bei scheinbar guter Qualität in eine zunehmend absurd
erscheinende Produktionsweise von Lebensmitteln manövriert, deren
tatsächliche Qualität und Sicherheit kaum noch kontrollierbar ist.
Ein Ruf nach mehr Kontrollen ist ebenso nicht neu. Schon seit Jahren
weisen die Verbände der Lebensmittelkontrolleure auf zunehmende Aufgaben
und schwindendes Personal hin. Gleichzeitig wohlgemerkt. Dass
Lebensmittelkontrollen - dem Föderalismus sei Dank - noch immer auf
Ebene der Bundesländer, teils kommunal geregelt sind, dürfte die Sache
nicht vereinfachen. Die Frage bleibt: Wie soll eine lokale Kontrolle bei
globaler Verflechtung internationaler Unternehmen effektiv aussehen? Es
bleibt abzuwarten, ob dem Ruf nach mehr Kontrollen und härteren Strafen
auch tatsächlich mehr Vertrauen bei den Verbrauchern folgt.
Dr. Christina Rempe, Harald Seitz, www.aid.de
Stand: 20/02/2013